Diagonale
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Schöne Tage
Spielfilm, AT 1981, Farbe, 148 min.
Diagonale 2018

Regie, Buch: Fritz Lehner
Darsteller:innen: Andreas Umnig, Martin Fritz, Johann Woschitz, Veronika Dovjak, Josef Holister, Regina Maurer
Kamera: Toni Peschke, Bernd Watzek
Musik: Bert Breit

 

Die Idylle des Lebens in den Bergen – demontiert: in einem Amateurfilm aus den Kriegsjahren, der das Bild des Lebens im Einklang mit der Natur der Massenproduktion des Kauffilms entnimmt und mit den eigenen Aufnahmen der Wanderung vermischt. In Fritz Lehners Antiheimatfilm Schöne Tage, der im Protagonisten Franzi einen zarten, zerbrechlichen Widerstand gegen ein romantisch verklärtes Patriarchat im Zeichen der Tradition findet und sichtbar macht, wie unheimlich das zur Idylle Verklärte im Kern ist.

Das Phantasma der idyllischen Provinz ist in Österreich, und vor allem direkt nach dem Krieg, zu einem nicht unerheblichen Teil vom Kino hergestellt worden: Der Heimatfilm war die professionalisierte Form dieser Geschichts- und Landschaftsverklärung, aber auch der Privatfilm erzählte nicht bloß vom Daheim, sondern reproduzierte und verstärkte das Bild eines Landes, das es im Provinziellen nie an Harmonie, pittoreskem Idyll und Traditionsbewusstsein hat fehlen lassen. Das Ehepaar Ladstätter dokumentiert während des Krieges eine Wanderung in den Bergen Osttirols, wiederholt schweift der Blick bewundernd über die Bergketten – eine Postkarte in Bewegung. Weitere Einstellungen zeigen Bauern bei der Heuernte in Salzburg, ein Schwein suhlt sich im Schlamm. Diese Sequenzen sind direkt einem Kauffilm entnommen, ergänzen die eigenen Bilder um die massenhaft produzierten und werden so zur Allegorie über das Ineinander von Heimatgefühl und Bildproduktion.
Fritz Lehners 1981 für das Fernsehen hergestellter Film Schöne Tage lässt sich auf dieses Bild der Alpen und ihrer Bewohner/innen gar nicht mehr ein, ist dezidierter Antiheimatfilm, der das Leben, die Arbeit, den Alltag aus der Perspektive des jungen Franzi für uns sichtbar werden lässt. Es ist der Blick des Fremden (Franzi kommt erst im Alter von rund sechs Jahren zu seinem Vater auf den Bauernhof), aber es ist auch der Blick eines Kindes, der ungestüm, neugierig, naiv und voller Tatendrang auf eine abgeklärte, traditionelle und über Jahre verfestigte Struktur trifft. Lehner erzählt diese auf Franz Innerhofers gleichnamigem Roman basierende Geschichte mit Laiendarsteller/innen und wenigen Worten, entwickelt dafür aber eine umso genauere, trocken analytische und doch involvierte filmische Form: Nah an der Wahrnehmungswelt seiner Hauptfigur überwiegen Blicke auf Kleinigkeiten, werden alltägliche Abläufe zu rhythmischen Kakophonien, immer wieder durchbrochen von den Großaufnahmen der gezeichneten Gesichter von Bauern und Dienstpersonal.
Diese aber tragen nicht ausschließlich Spuren der Begegnung mit einer rauen Natur, die das Leben dort mit sich bringt, sondern bilden auch die Verwundungen der Menschen ab, die in einem rigiden Gesellschaftssystem leben. Nach und nach erkennt Franzi die Machtstrukturen auf dem Hof, die Verlogenheit der Sexualmoral, die Abwesenheit jeglicher Solidarität, die Misogynie – kurz, das Patriarchat, das hier das Leben aller prägt und vorzeichnet. In seinem Streben, den Hof zu verlassen, eine Lehre zu beginnen, zu lesen und die Welt zu begreifen, statt ihrer Ordnung bloß untergeben zu sein, bedeutet Franzi eine Gefahr für das althergebrachte Gefüge. Lehner findet dafür eine ganze Reihe prägnanter Bildallegorien: Als gegen Ende des Films ein Verkäufer den anwesenden Bauern einen Traktor anpreist und dessen Kraft zur Schau stellen will, bittet er Franzi, diesen zu fahren, während alle anderen am angehängten Seil genau das verhindern sollen. In diesem Bild findet sich die ganze Ambivalenz des Verhältnisses von Jung und Alt im bäuerlichen Leben: die Jugend als Zukunftshoffnung für die traditionelle Lebensweise, die gleichsam das Potenzial hat, sich genau dagegen aufzulehnen, um schlussendlich eine andere Welt zu errichten – jenseits der Provinz, in den Städten, die Modernität versprechen.
(Katalogtext, Alejandro Bachmann)

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