Aline Carola
Innovatives Kino kurz, AT 1990, Schwarzweiß, 7 min.
Diagonale 2018
Regie: Linda Christanell
Anlässlich der Ausstellung „Was
vom Kino übrig blieb“ – konzipiert
von Norbert Pfaffenbichler und
Sandro Droschl, zu sehen auch
während des Festivals im Künstlerhaus
– präsentiert die Diagonale
ein von Olaf Möller kuratiertes
begleitendes Kurzfilmprogramm
mit wahren Filmraritäten von
Linda Christanell, Athīná Rachīī´l
Tsangárī, Ivan Ramljak u. a. Bei
Über das Publikum. Ein Film/Radio
Experiment von Manfred Schwaba
wird der Ton zum Film über eine
Radiosendung übertragen, die live
zur Projektion des Films stattfindet.
Dringende Empfehlung!
Anlässlich der Ausstellung „Was vom Kino
übrig blieb“ – konzipiert von Norbert Pfaffenbichler
und Sandro Droschl, zu sehen auch während
des Festivals im Künstlerhaus – präsentiert die
Diagonale’18 ein begleitendes Kurzfilmprogramm
mit Arbeiten, in denen das Augenblicksgebundene,
Vorläufige, Vergängliche dieser Kulturform und
all ihres Beiwerks auf manchmal schwärmerische,
manchmal ironische Weise sicht- wie greifbar wird.
Kino ist nicht nur der Film selbst, sondern das
gesamte Drumherum, von den Bildwerfern über
die Werbematerialien bis hin zu den Eintrittskarten
und anderen Dingen, die man an der Kassa
manchmal bekommt. Kino ist auch die Weiterverwertung
des Materials an sich – früher wurde das
Filmmaterial wiederverwertet, heute löscht man
zwecks Neubespielung die Festplatten (wenn das
Werk nicht gleich per Internet von Server zu Server
gesendet wird). Ein Großteil dieses Programms
dreht sich um all die Dinge, welche im Film sichtbar
werden, uns Filme sehen lassen wollen, wie
etwa jene Starpostkarte mit dem Abbild der jung
verschiedenen Aline Carola in Linda Christanells
nach ihr benanntem Kinotanz für Aug und Ohr.
Geklammert wird das Programm mit zwei
Maschinenwerken: Der Forscher-Archivar Jean
Vivié demonstriert das Funktionieren von Le
Phénakistiscope de projection de J. Duboscq 1824–
1826,einer vorkinematografischen Bewegtbildapparatur,
alldieweil in Athīná Rachīī´l Tsangárīs
24 Frames Per Century Projektoren sich in die
Zukunft träumen: als in die Jahre gekommene
Roboter. Bei [Annonces pour exploitants 1917?]
handelt es sich um ein typisches Archivfundstück:eine Rolle mit verschiedenen Bewegttext- und
-grafikverlautbarungen für ein französisches
Kinopublikum des Kriegsjahres 1917; ob man diese
Ankündigungen seinerzeit so zusammenmontiert
hat, ob sie alle aus einem bestimmten Kino stammen
– wer weiß? Das Kino produzierte aus seinem
Alltag – wie auch der Menschen Nachlässigkeit –
solche objets trouvés. [Trailer for The American
Venus] wiederum ist eine Besonderheit, da
Frank Tuttles Film mit Louise Brooks als verloren
gilt – selbst vor Großproduktionen, Arbeiten mit
künstlerisch-technischen Besonderheiten (hier:
die Verwendung des Technicolor Process No. 2)
macht der Zeitfraß keinen Halt, auch sie sind den
schwundförderlichen Widrigkeiten der Geschichte
ausgesetzt. Vom allzu menschlichen Schlendrian
erzählt Huono filmi,eine kurios-süffisante
Mixtur aus Kultur- und Experimentalfilm, in der
der finnische Kameragroßmeister Felix Forsman
dem geneigten Publikum zeigt, was beim Film
alles danebengehen kann, was von Belichtungskatastrophen
bis hin zu gaffenden Spaziergänger/
innen reicht; am Ende fliegt Film in den Müll.
Womit man, in gewisser Hinsicht, beim Beginn
von Tor-Ivan Odulfs TV-Produktion Filmsmälten wäre – nur dass es hier nicht ein paar Meter sind,
die in ein Körbchen taumeln, sondern Hunderte,
Tausende von Akten, die industriell entsorgt werden,
um dann in einer Found-Footage-Apotheose
aufzuerstehen. Was passiert schließlich mit Kinos, wenn sie
keine Filme mehr zeigen? Das erfährt man im
längsten Stück dieses Programms, Ivan Ramljaks
Kino Otok, einer Reise von Insel zu Insel zu Gebäuden,
die einst Kinos beherbergten und nun z. B. für
Yogaunterricht verwendet werden – was ja auch,
wie alle Leibesertüchtigungen, Bilder im Menschen
aufsteigen lassen kann. Zum Auftakt, und
deshalb hier am Ende, gibt es die Uraufführung
von Über das Publikum. Ein Film/Radio Experiment,
einer Kinoperformance, in welcher Filmkünstler/
innen darüber sprechen, was sie sich von Ihnen,
geneigtes Publikum, wünschen – denn das Kino ist
ja auch ein Ort der Wünsche.
(Katalogtext, Olaf Möller)