DIE TAGE WIE DAS JAHR
Dokumentarfilm, AT 2018, Farbe, 87 min., OmeU
Diagonale 2019
Regie, Kamera: Othmar Schmiderer
Buch: Angela Summereder / Othmar Schmiderer
Schnitt: Arthur Summereder
Originalton: Angela Summereder, Arthur Summereder, O.Schmiderer
Produzent:innen: Othmar Schmiderer
Produktion: o.schmiderer filmproduktion
Koproduktion: o.schmiderer filmproduktion
Ein Jahr im Leben von Gottfried
und Elfie, die sich mit ihrem Gehöft
einer Wirtschaftsweise verschrieben
haben, die die Landwirtschaft als
Miteinander von Natur und Mensch
begreift. Ohne falsche Romantizismen
erzählt Othmar Schmiderer von
diesem Leben in Form von reinen
Beobachtungen, die dieses Dasein
nicht kommentieren, sondern
sichtbar machen: als harte, ununterbrochene
Arbeit, die ein schwer zu
greifendes Gleichgewicht in Raum
und Zeit in Balance hält. Ein Film im
steten Rhythmus der Aktivität.
Landwirtschaftliche Arbeit am Gehöft von Gottfried
und Elfie im Waldviertel. Konsequent haben sie
sich für eine Wirtschaftsweise entschlossen, die den
Boden, die Tiere, die Pflanzen nicht schröpft oder
gar ausbeutet. Ein Jahr begleitet der Film – ohne
jeglichen Kommentar – die beiden in ihren täglichen
Verrichtungen, im permanenten Rhythmus der Aktivität,
der die Tage wie auch das ganze Jahr durchgehend
strukturiert. Die Sonne geht auf, die Sonne
geht unter, der Sommer kommt, der Sommer geht,
und im Zentrum dieser Zeitlichkeiten sehen wir Gottfried
und Elfie all das tun, was einen Hof wie den ihren
am Laufen hält: die Ziege bei der Geburt ihrer Kitze
unterstützen, anschließend die Deckel der Einmachgläser
säubern, dazwischen bürokratische Tätigkeiten,
das Feld bestellen, am Abend die Bienenstöcke
vorbereiten.
So wie DIE TAGE WIE DAS JAHR von einem Miteinander
von Mensch und Tier erzählt – man hört in
dem Film mehr Muhen, Quaken und Schnattern als
sprachliche Artikulationen –, scheint auch Othmar
Schmiderer sich im Laufe des Drehprozesses nicht
neben oder über die Dinge gestellt, sondern sich in
sie eingefunden zu haben. Die Kamera beobachtet
und versteht, geht aber nie auf eine analytische Distanz
oder in eine naiv faszinierte Nähe, sie strahlt eine
Ruhe und Ausgeglichenheit aus, die auch der Arbeit
von Gottfried und Elfie eigen scheint. Und auch der
große Bogen des Films fängt etwas von diesem Leben
und Lebensgefühl ein: So wie sich Jahreszeit an Jahreszeit
reiht, verketten sich durch diese hindurch die
Tätigkeiten, denen wir zusehen, von der Gewinnung
des Rohstoffs zum fertigen Produkt bis hin zu seiner
Verpackung und zum Verkauf am Telefon oder auf
dem Markt. Kleine und kleinstteilige Prozesse verhaken
sich miteinander zu immer größeren Ergebnissen.
Allzu leicht könnte man bei einem solchen Film
in falsche Romantizismen verfallen, die Zyklen der
Natur eins zu eins auf den Menschen übertragen und
diese Lebensform als harmonischen Einklang zeichnen,
der ein Gefühl von Ursprünglichkeit und – im
Umkehrschluss – jedes andere Leben als entfremdet
erscheinen lässt. Aber gerade das macht Schmiderer
nicht; bei aller Ruhe, die sein Beobachten wie auch
die Beobachteten charakterisiert, sehen wir auch
und vor allem eines: Arbeit, harte, ununterbrochene,
mit erstaunlicher Effektivität und ohne Schnörkel
durchgeführte Arbeit. Kein Weg wird hier begangen,
ohne etwas zu tragen, keine Sekunde vergeht, ohne
dass hier etwas entsteht, umgewandelt oder verarbeitet
wird – Raum und Zeit werden in ständiger
Geschäftigkeit bewohnt, ohne je aus dem Gleichgewicht
zu geraten.
(Katalog, ab)