NEVRLAND
Spielfilm, AT 2019, Farbe, 90 min., OmdU
Diagonale 2019
Regie, Buch: Gregor Schmidinger
Darsteller:innen: Simon Frühwirth, Paul Forman, Josef Hader, Wolfgang Hübsch, Markus Schleinzer, Anton Noori
Kamera: Jo Molitoris AAC
Schnitt: Gerd Berner
Originalton: Gregor Kienel
Musik: Gerald VDH
Sounddesign: Thomas Pötz
Szenenbild: Conrad Moritz Reinhardt
Kostüm: Christine Ludwig
Produzent:innen: Ulrich Gehmacher
Produktion: Orbrock Filmproduktion
Um den Haushalt zu unterstützen,
beginnt der 17-jährige Jakob, als Aushilfskraft in einem Schlachthof
zu arbeiten. Bald setzen bei ihm unerklärliche
Panikattacken ein, die ihn
arbeitsunfähig machen. Jakob zieht
sich immer mehr zurück. In einem
Sex-Cam-Chat für schwule Männer
lernt er den 26-jährigen Künstler
Kristjan kennen. Ein drängendes
Zeitporträt über Körperlichkeit und
Selbstwerdung.
Die starre Routine, die den Alltag des 17-jährigen
Jakob (Simon Frühwirth) prägt, tropft in Gregor
Schmidingers NEVRLAND aus den Bildern wie lähmendes
Gift. Doch was starr ist, gibt auch Sicherheit
– ein Gefühl, das Jakob abhandenzukommen
scheint, als er allmählich zu realisieren beginnt, dass
sich sein Leben wesentlich von dem seines Vaters
(Josef Hader), mit dem er in einer kleinen Wohnung
lebt, unterscheiden soll. Um den Haushalt zu unterstützen,
beginnt Jakob als Aushilfskraft in einem
Schlachthof zu arbeiten, doch damit setzen bei ihm
auch die ersten Panikattacken ein. Diagnose: Angststörung.
Ohnehin sehr schüchtern, zieht sich Jakob
noch weiter zurück und verbringt seine Zeit in Sex-
Cam-Chats für schwule Männer. Dort lernt er den
26-jährigen Künstler Kristjan kennen, zuerst eine virtuelle
Freundschaft. Mit einem realen Treffen möchte
Jakob noch warten, auch weil er weiß, dass das eine
Konfrontation mit seiner bisher nicht bewusst gelebten
Sexualität bedeuten würde. Doch ewig verstecken
will er sich nicht.
Expressive Bilder und ein treibender, atmosphärisch
alles verdichtender Soundtrack begleiten
Schmidingers Protagonisten in seinen troubled
times. Doch nicht das Coming-out oder die sexuelle
Orientierung der Hauptfigur machen NEVRLAND zu
einem dringlich-drängenden Zeitporträt, sondern die
Fragen nach der personellen Identifikation mit Körperlichkeit
in einer von Virtualität bestimmten Ära und
der daraus resultierenden, immer weiter klaffenden
Schere zwischen Vorstellung und Selbstwerdung.
(Katalogtext, az)
NEVRLAND von Gregor Schmidinger ist ein faszinierender
Film wie aus einem Guss, wie man ihn,
wenn man Glück hat, vielleicht alle zehn oder zwanzig
Jahre mal sieht.
(Thomas Reinhardt, Saarbrücker Zeitung)
Angststörungen sind die am häufigsten diagnostizierte
psychische Erkrankung in der westlichen
Welt und überproportional in der Millennial-Generation
zu finden. Auch mein Leben wurde zehn Jahre
lang von einer teils sehr lähmenden Angststörung
beeinflusst. NEVRLAND war eine Möglichkeit, mich
auch auf eine künstlerische Art mit dem Thema
Angst zu beschäftigen und zugleich mit dem Thema
der Selbstwerdung. (…) Mir war es wichtig, Sexualität
zeitgenössisch darzustellen, also auch den starken
Einfluss von Pornografie und digitalen Medien, unter
dem sie heute steht, zu zeigen. Und ich wollte einen
Film aus der Post-Gay-Perspektive machen, d. h., die
Homosexualität der Hauptfigur nicht ins Zentrum des
Films zu rücken oder sie gar zu problematisieren bzw.
das Coming-out zum großen Thema zu machen.
(Gregor Schmidinger)