Diagonale
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Die Filme:

Mädchen in Uniform
Leontine Sagan
DE 1931, 88 min

Muchachas de uniforme
Alfredo B. Crevenna
MX 1951, 101 min

Mädchen in Uniform
Géza von Radványi
BRD/FR 1958, 95 min

| Filmgeschichte | 3 x Mädchen in Uniform |

Leontine Sagan, Christa Winsloe und ein Filmklassiker mit Folgen
Von Brigitte Mayr und Michael Omasta

Leontine Sagan1934_Sammlung: filmexil@synema.at

Drei rigide geführte Erziehungsanstalten: das preußische Kaiserin-Augusta-Stift in Potsdam, eine katholische Klosterschule in Mexiko, ein deutsches Internat für Offizierstöchter. Drei junge Waisen, die in diesen Institutionen der autoritären Kälte wie gefangen sind und romantische Gefühle entwickeln für eine junge Erzieherin. Drei Versionen derselben Geschichte, drei Filme: der erste ein Welterfolg des Weimarer Kinos, der zweite ein beinahe vergessener Exilfilm deutscher Emigranten in Mexiko, der dritte ein viele Jahre geringgeschätztes Remake aus der Bundesrepublik der späten Fünfzigerjahre. 3 x Mädchen in Uniform bietet wohl erstmals Gelegenheit, die drei Versionen von 1931, 1951 und 1958 auf großer Kinoleinwand sehen und miteinander vergleichen zu können.

Der spektakuläre Ausgangspunkt dieser Reihe, Mädchen in Uniform von 1931, war seinerzeit in mehrfacher Hinsicht die Ausnahme von der Regel: Inszeniert von einer Frau (Leontine Sagan), geschrieben von einer Frau (Christa Winsloe), gedreht ausschließlich mit Frauen in den Hauptrollen. Er entstand am Rande der industriellen Filmherstellung als Produktion der Deutschen Filmgemeinschaft; alle Mitwirkenden erhielten nur die Mindestgage, waren aber am Einspielergebnis beteiligt.

So außergewöhnlich dieser erste Film ist, so außergewöhnlich sind auch die Biografien und Karrieren derer, die ihn gemacht haben. Leontine Sagan, deren Todestag sich im Mai 2024 zum 50. Male jährt, wird 1889 in Budapest (damals Österreich-Ungarn) als Leontine Schlesinger geboren. Ihre Mutter, Emma Fasal, gehört zum jüdischen Bürgertum von Wien; ihr Vater, Isidor Schlesinger, ist Bergbauingenieur in den Diamantfeldern Südafrikas. Leontine wächst mit ihren Geschwistern in Wien, Budapest und Johannesburg auf, wo sie als Sekretärin im Konsulat arbeitet. Mit 21 Jahren reist sie zurück nach Europa und besucht die Schauspielschule von Max Reinhardt in Berlin. Es folgen Engagements in Böhmen, Dresden und an der Neuen Wiener Bühne. Ab 1916 erweitert sie am Schauspielhaus Frankfurt ihr bisheriges Repertoire um klassische dramatische (Haupt-)Rollen, gibt zudem Unterricht an der angeschlossenen Theaterschule und beginnt – für eine Frau zu dieser Zeit noch ziemlich unüblich – auch Regie zu führen.

Unerfüllte Erwartungen

Anfang 1931 bringt Leontine Sagan in Berlin das Stück Gestern und Heute auf die Bühne und verfilmt es noch im selben Jahr unter dem Titel Mädchen in Uniform. Christa Winsloe, die Autorin der Theaterfassung, arbeitet bei der Erstellung des Drehbuchs eng mit Sagan zusammen. Eigentlich müsste der internationale Erfolg des Films beiden Frauen eine Weltkarriere eröffnen, doch diese Erwartungen erfüllen sich nicht.

Die Regisseurin dreht im Jahr darauf in England für den Filmproduzenten Alexander Korda Men of Tomorrow, eine Satire auf chauvinistische Wissenschaftler in Oxford, die heute als verschollen gilt; anschließend fährt sie nach Hollywood, sondiert Projekte mit David O. Selznick, doch es kommt kein Film mehr zustande. 1934 kehrt sie unverrichteter Dinge nach London zurück und setzt ihre Tätigkeit am Theater fort, inszeniert Anti-Nazi-Stoffe sowie Operettenproduktionen und tourt mit dem Erfolgsstück Murder in Mayfair durch die englische Provinz.

Im selben Jahr versucht auch Christa Winsloe, deren Bücher in Deutschland verbrannt worden sind, in Hollywood Fuß zu fassen. Sie hat Kontakt zur Regisseurin Dorothy Arzner, geht dann nach New York, wo sie für Harper’s Bazaar schreibt, und lässt sich schließlich in Frankreich nieder. 1938 arbeitet sie in Paris am Drehbuch für G.W. Pabsts Jeunes filles en détresse (Junge Mädchen in Not); es ist ihre letzte Begegnung mit dem Filmmetier. 1944 werden sie und ihre Lebensgefährtin, die Schweizer Übersetzerin Simone Gentet, als vermeintliche Kollaborateurinnen von Franzosen ermordet.

Auf vier Kontinenten

Leontine Sagan kehrt 1947 gemeinsam mit ihrem Mann Victor Fleischer, dem Wiener Gründer und ehemaligen Leiter der Frankfurter Verlagsanstalt, in das ferne Land ihrer Kindheit zurück. In Südafrika erhält sie die Möglichkeit, ihre Erfahrung und ihr Talent zur Ausbildung von Schauspieler:innen einzusetzen, und beteiligt sich in den Fünfzigerjahren – neben ihrer Arbeit als Impresaria und Regisseurin – maßgeblich am Aufbau einer nationalen Theaterorganisation. Bis heute wird sie in Südafrika als Wegbereiterin von moderner Bühnenkultur und Schauspielkunst verehrt. Sagan stirbt 1974 in Pretoria. Ihre bewegenden Memoiren Licht und Schatten. Schauspielerin und Regisseurin auf vier Kontinenten hat sie stolz „als Jüdin und Emigrantin“ niedergeschrieben.

Apropos. Nicht zuletzt erinnern die drei Filme an die vielen von den Nazis vertriebenen Künstler:innen, die an den verschiedenen Mädchen in Uniform beteiligt waren: Abgesehen von Sagan (GB, US, ZA) und Winsloe (US, FR) sind das auch die Schauspielerinnen Hertha Thiele (CH), Erika Mann (CH, FR, US), Hedwig Schlichter (FR, AR), Therese Giehse (BE, LU, CH), Blandine Ebinger (US), Lilli Palmer (GB, US), Ellen Schwanneke (AT, CH, US) und Immy Schell (CH). Des Weiteren der Schnittmeister Oswald Hafenrichter (FR, GB), die Drehbuchautoren Franz Hoellering (CZ, US) und Egon Eis (FR, CU), der Produktionsleiter Frank Wysbar (US), die Produzenten Artur „Atze“ Brauner (SU) und Rudi „Rodolfo“ Loewenthal (FR, CU, MX) sowie der Regisseur Alfredo B. Crevenna (MX).

Mädchen in Uniform gilt heute als Klassiker – nicht nur des lesbischen Kinos. Immer noch ist zu spüren, was Sagan einst resümierte: „In diesem Ensemble, das vornehmlich aus Frauen bestand, waltete eine Solidarität und eine Begeisterung, die sich auf die Leinwand übertrugen.“ Die Geschichte der keuschen, aber verbotenen Liebe zwischen dem Internatszögling Manuela und ihrer angehimmelten Erzieherin berührt weit über das Ende des jeweiligen Films hinaus.

Ein Diagonale-Special von filmexil@synema.at

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