Diagonale
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Diagonale
Festival des österreichischen Films
27. März - 1. April 2025, Graz

 


Das Programm wurde von Claudia Slanar und Dominik Kamalzadeh kuratiert. 

Zum Filmprogramm erscheint der zweite Band der Reihe Diagonale Edition Österreich – Eine Satire im Czernin Verlag mit Beiträgen von Lucile Dreidemy, Lea Susemichel, Stefan Grissemann, Bert Rebhandl, Andreas Ungerböck u. a. sowie einem Prosatext von Manuela Tomić. 

 

Wienfilm 1896-1976 zeigen wir in einer digital-restaurierten Fassung des Österreichischen Filmmuseums und Der Einzug des Rokoko ins Inselreich der Huzzis in einer digitalen Fassung des Österreichischen Filmmuseums, gefördert vom BMKÖS/Kulturerbe digital.


Die Filme:

Jetzt oder nie
Peter Patzak
AT/CH 1980, 89 min

Ein perfektes Paar oder die Unzucht wechselt ihre Haut
VALIE EXPORT
AT 1986, 12 min, OmeU

Durch dick und dünn
Margareta Heinrich
AT 1986, 70 min, OmeU

Im Garten der gelben G.
Ashley Hans Scheirl, Ursula Pürrer
AT 1985, 9 min, kein Dialog

Einsvierzig
Ulrich Seidl
AT 1980, 16mm, 16 min, OmeU

Aderlaß
Peter Tscherkassky
AT 1981, 16mm, 11 min, OmeU

NabelFabel
Mara Mattuschka
AT 1984, 4 min, kein Dialog

Gezacktes Rinnsal schleicht sich schamlos schenkelnässend an
Ashley Hans Scheirl, Ursula Pürrer
AT 1985, 4 min, kein Dialog

Elfriede Jelinek. News from Home 18.8.88
VALIE EXPORT
AT 1988, 30 min, OmeU

 

| Filmgeschichte | Österreich – Eine Satire |

Im Jahr 2004 zeigte der Diagonale-Festivaltrailer lachende Menschen – Protagonist:innen der österreichischen Filmszene, versammelt von der Künstlerin und Filmemacherin Mara Mattuschka. Was war geschehen? Die Branchenvertreter:innen hatten sich zur „Gegendiagonale“ zusammengeschlossen, um dem damaligen Staatssekretär für Kunst und Medien Franz Morak zu trotzen, der sein eigenes Intendantenteam bestellt hatte. Die Geste von Mattuschkas filmischer Intervention war so einfach wie unmissverständlich: Die widrigen Umstände wurden weg-, dem Versuch der politischen Vereinnahmung ins Gesicht gelacht.  

Lachen als Reaktion auf Komisches, Absurdes und Irrwitziges soll das diesjährige historische Spezialprogramm Österreich – Eine Satire begleiten. Denn Komik kehrt Hierarchien um: Sie liebt die anarchische Kraft alles Körperlichen und tritt selbst den schauerlichsten Verwerfungen der Geschichte mit spöttischem Grinsen entgegen.  

Der österreichische Film hatte stets ein besonderes Verhältnis zur humoresken Verzerrung: Satire und Groteske sind bevorzugte Mittel, die Schieflagen der jeweiligen gesellschaftlichen Verhältnisse wieder geradezurücken. Der Zeitraum von Mitte der Siebziger- bis Ende der Achtzigerjahre erschien uns als besonders fruchtbare Periode für gesellschaftskritisch ausgerichteten Humor. In den Kreisky-Jahren und darüber hinaus bahnte sich eine Komik mit subversivem Anstrich, ja aufklärerischem Anspruch ihren Weg. Zeitgeschichtliche Protestbewegungen, der Kampf um Frauen- und Minderheitenrechte sowie falsche Versprechungen der Konsumgesellschaft wurden ebenso thematisiert wie das Festhalten an historischen Verschleierungen und Halbwahrheiten. Die Formenvielfalt, die dabei entstand, erstreckt sich quer durch die Gattungen – von Spiel- und Fernsehfilmen bis zum Essay- und Experimentalfilm.  

Die bereits erwähnte Mara Mattuschka ist eine der Proponent:innen eines absurd-humorvollen Kinos, das reich an Verzerrungen wie Übertreibungen ist und den Humor am Körperlichen festmacht. In ihrem Kurzfilm NabelFabel (1984) sind beim Versuch der Künstlerin, sich selbst neu zu erschaffen, Kopf und Körper verzerrt – damals noch mit analogen Mitteln. Der experimentelle Spielfilm Der Einzug des Rokoko ins Inselreich der Huzzis, den Mattuschka 1989 gemeinsam mit Andreas Karner und Hans Werner Poschauko drehte, ist hingegen eine wilde Collage, ein Pastiche aus Ideen, Stilen, Prunk und Camp.  

Eine queere Körperlichkeit und ein Humor, der mit einem fröhlichen „Wuchern“ wie auch mit Schockmomenten spielt und sich dabei keinen Deut um traditionelle Geschlechtsidentitäten schert, zeichnen die gemeinsamen Filme von Ursula Pürrer und Ashley Hans Scheirl aus. Das feministisch-subversive Potenzial der Satire erkundet auch VALIE EXPORT: Ein perfektes Paar oder die Unzucht wechselt ihre Haut (1986) ist zudem ein zeithistorisch interessantes Dokument, in dem etliche Protagonist:innen der damaligen Kunstszene auftreten. Als geradezu visionär erweist sich Margareta Heinrichs Spielfilm Durch dick und dünn (1986), der Kritik an einem überkommenen Frauenbild und Schönheitsidealen auf mehreren Ebenen übt. 

Frau vor Spiegel verzerrt

Durch dick und dünn von Margareta Heinrich © ORF

Satire und Humor besitzen jedoch auch eine wichtige geschichtspolitische Funktion. Der vieldiskutierte Fernsehfilm Staatsoperette (1977) von Regisseur Franz Novotny und Komponist Otto M. Zykan löste bereits vor seiner Erstausstrahlung im ORF einen Skandal aus, der eine Wende in der offiziellen Selbstdarstellung Österreichs mit Bezug auf das Dritte Reich einläutete. Dem medialen Bild der (historischen) Identität des Landes gehen auch Krieg in Wien (1989) von Michael Glawogger und Ulrich Seidl sowie Wienfilm 1896–1976 (1977) von Ernst Schmidt jr. nach.

Peter Patzak (Regie) und Helmut Zenker (Drehbuch) wiederum stellen in Jetzt oder nie (1980) den Humor in den Dienst jener „einfachen Leute“, die von den Mächtigen meist übersehen werden. Mit einer humanistischen Geste geben ihnen Patzak/Zenker die Mittel zur Veränderung von Ungleichheitsverhältnissen in die Hand: eine beinah sanfte Revolution, die sich in neuen, veränderten Formen des gesellschaftlichen Zusammenlebens ausdrückt.
(Dominik Kamalzadeh und Claudia Slanar)

 

Die Diagonale dankt dem ORF-Archiv und dem Österreichischen Filmmuseum für die Unterstützung.

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