| Filmgeschichte | Österreich – Eine Satire |
Wir treten dem Schauerlichen mit spöttischem Grinsen entgegen
Seit jeher ein Ort der Neu- & Wiederentdeckungen, nicht nur, was die Wettbewerbs-Filme betrifft, bietet die Diagonale auch zur kommenden Ausgabe zwei filmhistorische Specials: Erneut erlaubt die Sektion Filmgeschichte mittels des Blickes auf die Vergangenheit auch Rückschlüsse auf die österreichische Gegenwart.
Die Diagonale freut sich, das erste Programm dieser Reihe samt einiger bereits fixierter Filme ankündigen zu dürfen: Unter dem Titel Österreich – Eine Satire widmet sich das Festival in sieben Programmen mittels einer Spurensuche dem satirischen Schaffen von 1976 bis 1989 in der österreichischen Film- und Fernsehgeschichte. Gerade was Letztere betrifft eine „goldene Ära“, in humorvolle Strategien als Mittel der Kritik an gesellschaftlichen Verhältnissen zur Prime Time in die Wohnzimmer des Landes ziehen konnten.
„Komik kehrt Hierarchien um. Sie liebt die anarchische Kraft alles Körperlichen und tritt selbst dem Schauerlichen der Geschichte mit spöttischem Grinsen entgegen. Der österreichische Film hatte stets ein besonderes Verhältnis zur humoresken Verzerrung: Satire und Groteske sind bevorzugte Mittel, die Schieflagen der jeweiligen gesellschaftlichen Verhältnisse wieder gerade zu rücken. In den Kreisky-Jahren und darüberhinaus bahnte sich eine Komik mit subversivem Anstrich, ja aufklärerischem Anspruch ihren Weg. Zeitgeschichtliche Protestbewegungen, der Kampf um Frauen- und Minderheitenrechte, falsche Versprechungen der Konsumgesellschaft wurden genauso thematisiert wie das Festhalten an historischen Halbwahrheiten.“
Dominik Kamalzadeh & Claudia Slanar
Das Programm reicht quer durch alle Gattungen, neben Spiel- & Fernsehfilmen sind auch Essay- und Experimentalfilme zu sehen, hier eine Auswahl der Filme:
Ernst Schmidt Jrs. kritische aber auch sehr liebevolle Hommage auf „seine Stadt“ ist die Kompilation Wienfilm 1896-1976: Beginnend mit einer Aufnahme der Brüder Lumière an der Opernkreuzung spannt Schmidt Jr. einen großen Bogen bis hin zum Einsturz der Reichsbrücke und der Besetzung der Wiener Arena – dazwischen Charlie Chaplin, H.C. Artmann, Ernst Jandl und die Zwillinge von Werner Kofler oder, wie es der Filmwissenschaftler Ulrich Gregor dereinst auf den Punkt brachte: „130 mehr oder weniger giftige Pfeile ins goldene Wienerherz!“. Die Staatsoperette von Franz Novotny wurde 1977 zur Staatsaffäre, die Skandalisierung, die der Premiere des Filmes vorausging, sollte in die Fernsehgeschichte eingehen – es gab Bombendrohungen, Blasphemie-Rufe, viel Empörung und eine Parlamentsdebatte. Der Aufziehkanzler auf dem Einrad erfreut jedenfalls bis heute, wie auch der Rest dieser bitterbösen Satire, in der möglicherweise auch Tatsachen vorkommen. Das kongeniale Duo Helmut Zenker (Buch) und Peter Patzak (Regie) lieferte 1980 mit Jetzt oder nie eine bissige Satire auf die Wiener Behördenmentalität, Ignoranz und Dummheit, garniert mit Liedern von Georg Danzer: die 82-jährige Frau Mörzinger soll im Park kurz auf ein Neugeborenes aufpassen, die Mutter verschwindet und nach allerlei tragikomischen Verwicklungen wird die Einsicht erlangt, dass man in Wien mit gesundem Menschenverstand nicht weit kommt.
Margareta Heinrich setzte 1986 mit Durch dick und dünn eine scharfsinnige Satire um, welche die Lebensgewohnheiten der 80er-Yuppie-Generation humorvoll hinterfragte und heute, fast 40 Jahre später, leider nichts von ihrer Relevanz verloren hat, Stichwort permanente Selbstoptimierung von Weiblichkeit und Körperbildern.
Möglicherweise eines der ersten heute so populären Reaction-Videos bietet VALIE EXPORT mit ihrem Film Elfriede Jelinek. News from Home 18.8.88: Die spätere Literaturnobelpreisträgerin schaut Nachrichten und kommentiert lakonisch ebendiese, barfuß im schwarzen Lehnstuhl – ein zeithistorisches Dokument, ein selbstreflexiver Metafilm. Der Einzug des Rokoko ins Inselreich der Huzzis von Andreas Karner, Mara Mattuschka und Hans Werner Poschauko aus 1989 erzählt vor einer schlichten Pappkulisse die Geschichte des machthungrigen Jugendlichen Reverend M1Zimbe und seiner Mission, den grundsätzlich friedlichen aber auch kannibalistisch lebenden Huzzis seine autoritären Überzeugungen aufzuzwingen. Wozu das Ganze? Natürlich um die bisher verwehrte Anerkennung von seiner Mama zu bekommen! Mit viel Ironie und subtilem Humor inszenieren die drei Künstler:innen die Geschichte vom Tyrannen, der auf unbefangene Naivität trifft und heben dabei auch koloniale Machtverhältnisse aus.
Kuratiert wird das Programm von Dominik Kamalzadeh und Claudia Slanar, die Diagonale dankt dem ORF-Archiv und dem Österreichischen Filmmuseum für die Unterstützung.