Filmhistorische Specials
In ihrer Befragung unseres filmischen Erbes ermöglichen die im Rahmen der Diagonale präsentierten filmhistorischen Spezialprogramme nicht nur zahlreiche (Wieder-)Entdeckungen. Es geht immer auch um eine Verschiebung der Perspektiven bzw. darum, neue Zusammenhänge im Blick auf das Medium Film und die Vergangenheit offenzulegen. Aus diesem Grund nehmen diese Specials sowohl innerhalb des Festivalprogramms als auch im Diskurs über den österreichischen Film einen wichtigen Platz ein.
Wie immer werden von unseren langjährigen Kooperationspartnern mehrere spannende Angebote aus unterschiedlichen Perspektiven bzw. von unterschiedlichen Ausgangspunkten aus gemacht. Doch man könnte „Eigensinn und Geschichte“, so der Titel der von Filmarchiv Austria/Thomas Ballhausen kuratierten Reihe, auch programmatisch über die diesjährigen filmhistorischen Spezialprogramme stellen. Den Eigensinn könnte man in Bezug sowohl auf die filmischen Ausdrucksformen als auch auf deren Auswahl, Zusammenstellung und Reinterpretation lesen – ob in der Zeit oder im Blick auf eine Zeit, ob in Übereinstimmung mit oder im Gegensatz zu dominanten Ausdrucksweisen oder auch Lesarten.
Filmarchiv Austria
Eigensinn und Geschichte
Film als Geschichte und zugleich als Mittel der Geschichtsschreibung in Österreich steht im Zentrum dieses Spezialprogramms. Film ist dabei weniger als Illustration historischer Momente interessant denn als Spiel mit der eigenen Medialität. Die drei aus der Perspektive des Archivs zusammengestellten Programme präsentieren ein breites Spektrum unterschiedlicher Filmtypen wie Trailer, Wochenschaubericht, Avantgarde- oder Stummfilm. Vom Trauma des Ersten Weltkriegs und dessen Niederschlag im Film, über die politisch umkämpften 1930er-Jahre und die Nachkriegszeit bis zu den 1980er-Jahren reicht der Zeitraum der gezeigten Arbeiten. Dass dabei zahlreiche Preziosen aus dem Archiv zum Vorschein kommen, versteht sich von selbst. Freuen darf man sich u. a. auf den Stummfilmklassiker Orlac’s Hände (1925) oder den frühen Avantgardefilm Der Rabe (1951).
Österreichisches Filmmuseum
Alfred Kaiser
Mit dem frisch restaurierten Werk von Alfred Kaiser stellt das Österreichische Filmmuseum einen großen Unbekannten der heimischen Filmgeschichte vor. Seine großteils in Vergessenheit geratenen Filme sind damit nach langer Zeit erstmals wieder zu sehen. Alfred Kaiser (geb. 1940 in Wien, gest. 1994 im Waldviertel) war vor seinen filmischen Arbeiten als Raumplaner, Neurologe und Paläontologe tätig. Anfang der 1970er-Jahre erstellte Kaiser für das Filmmuseum eine wissenschaftliche Filmsammlung zum „menschlichen Verhalten“. 1975 entstand sein erster Film, Ein drittes Reich, montiert aus historischem Filmmaterial der 1930er-Jahre. Auch in seinen weiteren Arbeiten interpretierte er mittels seines Collageverfahrens bereits abgebildete Geschichte neu. Nach erfolglosen Filmförderungsansuchen wandte sich Kaiser Anfang der 1980er-Jahre ganz vom Film ab. Bis zu seinem Tod blieb er als Maler, Komponist und Schriftsteller tätig.
Synema
Die vertriebene Avantgarde
Einen anderen Blick auf das Kino wirft die in bewährter Kooperation mit Synema zusammengestellte historische Reihe FilmExil. Widmeten sich die Specials der letzten Jahre bekannten vertriebenen Regie- und Schauspielgrößen wie Paul Czinner und Peter Lorre, so liegt der Fokus diesmal auf der Avantgarde, die sich per definitionem an einem bestehenden Bildsystem abarbeitet und sich mit der medialen Ausdrucksform an sich auseinandersetzt. Unter dem Titel „Die vertriebene Avantgarde“ erinnern drei Programme an einige jener (alt-)österreichischen Filmschaffenden, die sich um das innovative Kino verdient gemacht hatten, ehe sie durch den aufziehenden Nationalsozialismus gezwungen waren, ihre Wirkungsstätten in Berlin, Wien, Budapest oder Prag zu verlassen.
Mit Filmen von Alexander Hackenschmied (später Hammid), Gustav Machatý, László Moholy-Nagy u. a.