In die erste Reihe gehen
Die Produzentin Gabriele Kranzelbinder im Gespräch mit Sebastian Höglinger und Peter Schernhuber
Sebastian Höglinger: Mit der Reihe „Zur Person“ versucht die Diagonale entlang einer markanten filmischen Handschrift Blicke auf das österreichische Filmschaffen zu werfen. Welche Wegmarken und Hürden prägen die Geschichte Gabriele Kranzelbinders?
Gabriele Kranzelbinder: Ins Filmemachen bin ich quasi hineingerutscht. Thomas Woschitz wurde 1994 gefragt, für einen Wettbewerb einen Beitrag zum Thema Alpen zu drehen. Entstanden ist dabei der 1. Teil der Josef-Trilogie, Tascheninhalt und Nasenbluten, damals noch unter dem Arbeitstitel Schwarze Alpen. Ich hatte davor bei Thomas’ Projekt Ölfilm mitgearbeitet, sonst aber keine weitere Erfahrung – das Produzieren habe ich mir einfach zugetraut und dabei habe ich rasch gemerkt, dass es nach meinem Jus-Studium das erste ist, wofür ich wirklich brenne und was mir richtig Freude bereitet. Der Film war freilich ein Sprung ins Unbekannte inklusive all der zugehörigen Hürden und Pannen. Bereits damals drehten wir mit einem internationalen Team – drei Tage im Winter in Kärnten. Der Würdigungspreis auf der Diagonale gab uns die Energie, nur ein Jahr später den zweiten Teil Blindgänger zu drehen, wobei noch nicht klar war, dass hier eine Trilogie am Entstehen ist. Einzig Kanada als im Film benannter Sehnsuchtsort war schon angelegt. Dass Blindgänger dann in Venedig laufen sollte, war ein Highlight. 2004 stellten wir schließlich den dritten Teil Girls and Cars bei den Filmfestspielen in Cannes vor.
Gerne erinnere ich mich an das legendäre Fest, das wir damals in einer von einem Marokkaner betriebenen Bar hinter dem Bahnhof schmissen. Die Bar war gerammelt voll, die Leute tanzten auf den Tischen, Oliver Welter, der für die Musik des Films verantwortlich zeichnete, legte mit Stefan Deisenberger auf, viele, die später wichtig wurden, waren damals schon dabei. Nur wenige Monate später lief die ganze Trilogie dann beim Filmfestival in Locarno. Doch begonnen hatte die Reise mit Blindgänger, dessen Einladung in Venedig zu einer Zeit, in der österreichische Filme international noch nicht so präsent waren, eine richtige Sensation war!
Peter Schernhuber: Ein prägender Ort ganz zu Beginn deiner Karriere war Rom …
GK: … Ja. Thomas Woschitz studierte dort Film und ich zog zu ihm in eine WG, in der ausschließlich Filmleute lebten. Das war inspirierend und animierend zugleich. Erst später versuchte ich bei Wiener Firmen Jobs zu bekommen, was anfangs gar nicht leicht war. Ich hatte ein fertiges Jus-Studium, aber kaum Erfahrung beim Film. Oft braucht es dann Glück, und bei mir war es Lukas Stepanik, der mir damals mit den Worten „Dann hüpfst du eben ins kalte Wasser“ den ersten Job verschaffte. Von dort weg ging es los. Es folgte die Zusammenarbeit mit Hubert Canaval bei seinem Dokumentarfilm Wenn der Berg ruft, produziert von der Allegro-Film. Zeitgleich lernte ich auch Andreas Gruber kennen, bei dessen Film Schuld der Liebe ich mitarbeitete und der mich zum Filmfestival KINOVA nach Wels brachte. Das war auch das Jahr, in dem die erste YOUKI (das Festival, das Höglinger und Schernhuber von 2009 bis 2014 leiteten, Anm.) stattfand.
PS: Dort haben wir uns um ein paar Jahre verpasst …
GK: … bei Wels denke ich an ein legendäres Fest mit Emir Kusturica im Alten Schlachthof und daran, mit Barbara Albert und Emir Kusturica, den ich sehr bewunderte, und einigen anderen Mitgliedern seiner Band in dessen Jeep über den Platz vorm Hotel Greif gefahren zu sein.
SH: Es ist interessant, dass Erinnerungen häufig auf Feste rekurrieren, die mit der eigentlichen Sache wenig zu tun haben, in ihrer Unmittelbarkeit und Emotionalität jedoch vergegenwärtigen und spürbar machen, wo im Leben man gerade steht und ist …
GK: Musik war mir immer sehr wichtig. Wenn man wo ist, wo gute Musik läuft, ist man in einer anderen Stimmung. So gesehen kommt diesen Abenden große Bedeutung zu. 2003 hatten wir mit der zwei Jahre zuvor gegründeten Produktionsfirma Amour Fou gleich vier Filme bei den Filmfestspielen in Cannes: Ruth Maders Spielfilmdebüt Struggle, Virgil Widrichs Fast Film sowie Bady Mincks Im Anfang war der Blick und Pas de repos pour les braves von Alain Guiraudie. Aus diesem Anlass organisierten wir ein großes Fest in einer Villa oberhalb der Stadt und ich erinnere mich an jenen unfassbar schönen Moment, als mir bewusst wurde, hier etwas mitermöglicht zu haben.
SH: Apropos Virgil Widrich. Bereits 2001 wart ihr mit seinem Film Copyshop für den Oscar nominiert …
GK: Das war ein Highlight und damals seit Jahren die erste Nominierung eines österreichischen Films. Vollkommen absurd, wie wir mit der Limousine am Weg ins Kodak Theatre im Stau standen. Prägend war auch die Uraufführung von Love and Other Crimes bei der Berlinale, als ich dem Regisseur Stefan Arsenijević zu seiner Beruhigung während des gesamten Screenings die Hand halten musste. Eine genau gegenteilige Erfahrung war übrigens die Premiere von Universalove im ausverkauften Wiener Gartenbaukino: eineinhalb Stunden Verspätung aufgrund technischer Probleme. Irgendwann gaben wir Freigetränke zur Publikumsbesänftigung aus. Das war ein richtig unangenehmer Nervenkitzel, am Ende aber ein tolles Screening mit großartiger Stimmung im Saal und beim Fest danach.
Schön war auch die Präsentation von Girls and Cars bei der Viennale. Beim anschließenden Tanz im Elektro Gönner tauchten der Regisseur Olivier Assayas und die Schauspielerin und Filmemacherin Mia Hansen-Løve auf. Hansen-Løve bereitete gerade ihren Wien-Film Tout est pardonné (lief im Rahmen der Reihe „Zu Gast: Mia Hansen-Løve“ bei der Diagonale 2015, Anm.) vor. Das Treffen damals führte auch dazu, dass ich zunächst Mia bei ihrem ersten Spielfilm unterstützte und die KGP später den Wien-Dreh von Olivier Assayas Carlos – Der Schakal als Service-Produktion übernahm.
PS: Sowohl mit der Produktionsfirma Amour Fou als auch später mit KGP warst du stets deine eigene Chefin. Was reizt dich am selbstständigen Arbeiten?
GK: Für mich war es von Anfang an notwendig, Freiheiten zu haben. Mir war es wichtig, dass ich mir etwas zutraue und dass ich in die erste Reihe gehe. Gerade als Frau ist das stets mit einer gewissen Überwindung verbunden. Ich kann dahingehend auch nur ermutigen: Wenn man den Wunsch verspürt, Verantwortung zu übernehmen, sollte man bzw. frau es einfach machen!
SH: Auffallend an deiner Art zu produzieren ist ein ganz eigener Stil, der Produzent/innen, Filmautor/innen und Regisseur/innen stets als ein Miteinander begreift. Wie gestaltest du die Zusammenarbeit mit den Filmschaffenden?
GK: Die Rolle der Produzent/innen hängt stets auch von den Autor/innen und Regisseur/innen ab. Als Produzentin kann ich Impulsgeberin sein, aber auch eine Art „erstes Publikum“, das im geschützten Rahmen Feedback gibt; sei es für eine Idee, ein Treatment, während des Drehs oder dann später für einen Rohschnitt. Das Wesentliche an meiner Rolle ist es, Gegenüber zu sein, aber natürlich hat man auch selbst Ideen und manchmal gar nicht die schlechtesten (lacht). Dann geht es darum, Impulse zu setzen, die sich für die Autor/innen stimmig in ein großes Ganzes einfügen.
SH: Viele der Filme im Portfolio der KGP feiern bei internationalen Festivals Erfolge, reüssieren aber wiederum nur bedingt an der österreichischen Kinokasse. Wann ist ein Film erfolgreich?
GK: Natürlich freue ich mich über viele Zuseher/innen und natürlich ist es umgekehrt frustrierend, wenn man viel Zeit und Energie in ein Projekt steckt und am Ende nicht allzu viele Leute ins Kino gehen. Man muss aber darauf hinweisen, dass das Messen von Erfolgen entlang von Zahlen, die sich nur auf das österreichische Box-Office beschränken etwas sehr Abstraktes ist. Wer interessiert sich etwa für internationale Auswertungszahlen von Art-House-Filmen, gemessen über einen längeren Zeitraum und in unterschiedlichen Medien?
Zugleich ist es oft das größte Geschenk, nach einem Screening etwa drei begeisterte E-Mails zu einem Film zu lesen und zu merken, dass die Arbeit für bestimmte Menschen wichtig ist. Ich bin bei jeder Filmvorführung vor Publikum sehr aufgeregt. Stets aufs Neue merke ich, wie ich beim Abspann nervös werde und mich zu fragen beginne, wie das Publikum wohl reagieren wird.
Und man sollte nie vergessen, dass selbst Meister des kommerziellen Kinos sich über ihren Publikumserfolg nie sicher sein können. Auch sie floppen. Das einzige, was man immer gewährleisten sollte, ist ein Minimum an Qualität.
SH: Im Hinblick auf Verwertung von Film ist aktuell vieles im Umbruch. Braucht es in Österreich ein diesbezügliches Umdenken?
GK: Es ist in Österreich immerhin nach wie vor möglich, unkonventionelle und künstlerisch anspruchsvolle Filme zu produzieren. So lange dies der Fall ist, ist die Situation einigermaßen in Ordnung, auch wenn wir uns für die zuständigen Fördertöpfe bessere Dotierungen wünschen. Allerdings fände ich es schön, wenn man diese Art, sperrigere, politischere, weniger zugängliche oder rein künstlerische Filme zu produzieren, nicht permanent mit Zähnen und Klauen verteidigen müsste. Als Lippenbekenntnis gibt es das Zugeständnis zu diesen Filmen rundum, in der Praxis bemerke ich jedoch die Tendenz, diese Art von Filmen in noch kleinere Nischen abdrängen zu wollen.
Was die Verwertung betrifft, sollten wir davon abkommen zu glauben, dass jeder Kinofilm auch tatsächlich im Kino eine klassische Auswertung erleben muss. Bei der großen Anzahl der hergestellten Filme ist es nicht mehr möglich, eine vernünftige Sichtbarkeit für alle Filme zu erreichen. Hier spielen Festivals eine große Rolle. Andererseits verlagert sich der Konsum von Filmen immer mehr ins Internet und hier müssen wir viel präsenter werden!
PS: In den blühenden Nischen der Popmusik definieren sich die ambitionierten Musiklabels oft über eine bestimmte Haltung. Ohne einzelne Künstler/innen genau zu kennen, weiß man als Fan, was einen erwartet. Wofür steht KGP?
GK: Mir ist es wichtig, mit der KGP mutig und neugierig zu sein und sich dabei nicht in auf eine vorgezogene Linie beschränken zu lassen. Beispielsweise ist Maikäfer flieg Neuland in meinem Portfolio. Ich möchte mich auf nichts festlegen lassen.
PS: Wie korrespondiert dein Interesse am Neuen mit der Tatsache, dass du Leute teils über Jahre begleitest?
GK: Mir sind zwischenmenschliche Beziehungen sehr wichtig und ich schätze es mit Leuten zu arbeiten, mit denen es eine Vertrauensbasis gibt. Sehr gerungen habe ich stets mit dem oft inszenierten Kampf „Produktion versus Regie“, der sich historisch auch aus dem Denken an der Filmakademie speist – bis heute hat sich allerdings auch da viel verändert. So wollte ich mich jedenfalls nie sehen und umso schöner ist es, mit Filmschaffenden über einen längeren Zeitraum zu arbeiten. Es gefällt mir, wenn klar wird, dass man dasselbe will und an einem Strang zieht.
SH: In deinem facettenreichen Potpourri an Filmen gibt es einen blinden Fleck: den Fernsehfilm. Was begeistert dich am Kino?
GK: Dass der Fernsehfilm nicht vorkommt, liegt nicht daran, dass es mich nicht interessiert, für dieses Medium zu arbeiten, sondern an den Grenzen meiner Kapazität. Vielleicht ergibt sich hier irgendwann noch etwas. Nichtsdestotrotz ist das Kino ist für mich ein sozialer Ort, der etwas Magisches ausstrahlt, weshalb ich auch gerne für diesen Ort Filme produziere. Ich habe eine sehr emotionale Bindung an den Ort Kino.
PS: Spricht man über die österreichische Filmlandschaft, kommt man nicht umhin, über Geschlechterverhältnisse zu reden. Du engagierst dich im Frauen-Netzwerk FC GLORIA, medial wirst du gerne als die einzige österreichische Produzentin ins Rennen geführt. Eine Zuschreibung, die dich mitunter auch stört, weil sie Gefahr laufen kann, dich auf deine Rolle als Frau zu reduzieren?
GK: Nein. Stören tut mich nur, dass die Situation so ist, wie sie ist. Ich bin erfreut, dass mittlerweile mehr Frauen produzieren. Auch aufgrund von wertvollen Initiativen wie FC GLORIA werden hinkünftig hoffentlich mehr Frauen selbstbewusst arbeiten.
Als ich angefangen habe zu produzieren, fehlten mir genau diese Role Models.
PS: Es ist ein Ärgernis, dass die Frage Geschlechterausgewogenheit oft als vermeintliches „Frauen-Thema“ abgetan wird und nicht als Frage, wie wir leben wollen. Wie beurteilst du die Situation unter jüngeren Kolleg/innen?
GK: Was mir zugetragen wird, ist, dass die Situation nicht nur erfreulich ist und bei vielen Jüngeren – gerade auch bei Frauen – das Bewusstsein für Benachteiligungen schwindet. Ich muss hier auch anfügen, dass mir dieses Thema selbst erst in den letzten Jahren verstärkt bewusst wurde. Ich habe mich erst nach und nach als einzige Frau unter männlichen Kollegen wahrgenommen. Gemerkt habe ich das beispielsweise als Produktionsassistenz am Filmset, daran, dass sich der Umgangston männlicher Kollegen mit mir änderte, wenn ich darauf hinwies, ausgebildete Juristin zu sein. Auch zu Zeiten der Amour Fou kam es immer wieder vor, dass ich als Sekretärin wahrgenommen wurde – und das obwohl auch Alexander Dumreicher-Ivanceanu, der die Firma mit mir leitete, stets sehr darauf bedacht war, ausgleichend zu wirken und mich ermutigte, den Gang in die Gremien zu suchen. Oft sind es gerade diejenigen, die ohnedies sehr aktiv sind, die weniger Problembewusstsein haben.
Irgendwann war der Unterschied, etwa in der Gesprächskultur, auch körperlich als Anstrengung erfahrbar. Die intensive Beschäftigung setzte ein, als ich meine Firma, die KGP, alleine übernahm. Heute achte ich sehr präzise auf Ausgewogenheit in Team und Cast, das ist auch aus meinen Filmen ablesbar.
SH: Als eine, die international arbeitet, siehst du im Ausland diesbezügliche Unterschiede?
GK: Ich kenne keine Branche so gut wie die österreichische, aber ja, ich merke schon, dass es anderswo andere Selbstverständlichkeiten gibt. Ein Umstand, der hoffentlich bald Geschichte sein wird.
SH: Wenn du darüber hinaus an die Zukunft denkst, welche Visionen begleiten dich?
GK: Ich möchte noch stärker international arbeiten, noch stärker darauf schauen, dass sich Teams international zusammensetzen. Auch möchte ich noch intensiver mit großen Projekten über die Grenzen gehen. Das ist etwas, wofür man hierzulande mitunter Kritik von jenen erntet, die darauf pochen, nur mit Österreicher/innen zu arbeiten.
PS: Was du ansprichst, äußert sich auch in der Arbeit mit der Diagonale und ihrem Label „des Österreichischen“. Es ist gewissermaßen paradox, aktuell mit einem politischen Klima zunehmender Nationalismen konfrontiert zu sein, obwohl unsere Lebens- und Arbeitsrealität eine immer globaler werdende ist. Ich halte es für problematisch, wenn sich etwa in der Forderung nach nationalen Quoten, wie sie in den 1990er-Jahren für deutsche Radio-Stationen erhoben wurde, Nationalismus durch die Hintertür Zugang verschafft. Natürlich verstehe ich umgekehrt, dass sich die Forderung nach mehr Augenmerk auf nationales Kunst- und Kulturschaffen auch aus dem berechtigten Wunsch nach Relevanz und Sendungsbewusstsein, vor allem von jüngeren Künstler/innen speist. Eben deshalb ist auch die Diagonale angehalten, das Label des „österreichischen Films“ stets in Frage zu stellen …
GK: Auch ich tue mir damit schwer. Filmkulturpolitisch äußerte sich der Fokus auf die heimischen Filmschaffenden etwa oft in einer ablehnenden Haltungen gegenüber Koproduktionen. Ich halte es jedoch für äußerst spannend und bereichernd, nicht ausschließlich mit den eigenen Leuten zu arbeiten.
SH: Der Internationalismus in deinen Arbeiten stellt sich ja auch gegen diese versteckten Nationalismen, die deutlich machen, wie viel nationalistisches Gedankengut auch bei jenen vorhanden ist, die dieses gerne auf andere auslagern …
GK: Ja, deshalb hatte ich auch immer Probleme mit der Diagonale und anderen Initiativen, die mit „dem Österreichischen“ hantieren. Umso erheiternder finde ich es, wenn beispielsweise der deutsche Benjamin Heisenberg wie 2011 den Österreichischen Filmpreis gewinnt und so dieses nationale Denken aufgebrochen wird. Natürlich haben Zuweisungen und Labels auch viel Brauchbares an sich, vor allem wenn sie der Sichtbarkeit des österreichischen Films beim heimischen Publikum dienen, jedoch sollten sie stets hinterfragt werden. Sonst kippt man rasch auch selbst in ein eingeschränktes Denken. Ich habe gemerkt, wie Koproduktionen für mich zuletzt und aufgrund der sich verändernden kulturpolitischen Rahmenbedingungen uninteressanter wurden und ich mir bewusst vornehmen musste, wieder in diese Richtung zu arbeiten.
PS: In einem Denken, das dem Naheliegenden, in dem Fall dem Nationalen den Vorzug einräumen will, äußert sich auch die Sehnsucht nach einfachen, überschaubaren Verhältnissen …
GK: Klar. Es ist auch einfacher, mit bewährten Strukturen zu arbeiten. Das sieht man beispielsweise beim Fernsehen. Wichtig ist auch, welchen Anspruch man selbst verfolgt. Ich habe in Paris mal eine sehr schöne Ausstellung gesehen, „Cinema Septième Art“, die sich Film als Filmkunst annahm und sehr schön aufmachte, was Film mit seiner ganzen Avantgarde-Geschichte usw. sein kann. Demgegenüber steht Film als Unterhaltungskunst und es stellt sich die Frage, was das eine mit dem anderen zu tun hat. Auch wenn viele sagen, dass die Trennung zwischen Kunst und Kommerz enden muss, halte ich es für ehrlicher, den Unterschied zu benennen und klar zu machen, aus welchem Anspruch heraus man antritt, um Filme zu machen. Natürlich bedeutet das nicht, dass ein künstlerischer Film keinen Erfolg beim Publikum haben kann und umgekehrt ein kommerziell erfolgreicher Film nicht auch qualitätsvoll sein kann.
PS: Ich kann durchaus nachvollziehen, weshalb man von der Trennung dieser beiden Gegenpole ausgeht und verstehe umgekehrt, worauf du hinaus willst. Wogegen es meiner Meinung nach anzutreten gilt, sind die ideologischen Zuschreibungen, die mit den beiden Labels oft mitgeliefert werden: das Künstlerische als das Hehre und Bessere, dem der Kommerz als Schund gegenüber steht. Setzungen wie diese sind viel eher das Problem und die Wenigsten, die auf die verschwimmenden Grenzen zwischen den beiden „ewigen Widersachern“ hinweisen, denken das aus der Perspektive des Anspruchs heraus, wie du es tust …
GK: Es ist auch eine Unterstellung, dass sich jene mit künstlerischem Anspruch zurücklehnen und nicht dafür interessieren, ob ein Werk gesehen wird. Den meisten tut man mit so einer Vorstellung unrecht – und die meisten Künstler/innen wollen sehr wohl, dass ihr Werk gesehen wird, ebenso wie es ein Irrglaube ist, dass jene, die auf Publikum setzen, kein Interesse an Qualität haben.