ORF-Archiv – Wir spielen Leben
Grenzgänge und Pop-Inszenierungen
Drei Schätze einer oft verkannten Popkultur konnten dieses Jahr aus den Tiefen des ORF-Archivs gehoben werden: Hansi lang trifft Chuzpe trifft Schmetterlinge. Drei österreichische Fernseh-Pop-Selbstbildnisse (zurück) auf der Leinwand, zurück auf dem Schirm.
Ein Künstlerporträt über Hansi Lang, das unter die Haut geht und den dokumentarischen Kontrapunkt zu Dieter Berners Ich oder Du setzt, kommt im Programm des Filmarchiv Austria zur Wiederaufführung. In Ich spiele Leben sieht man den Sänger auch bei den Dreharbeiten zu dieser an Jean-Luc Godards Jules et Jim erinnernden Geschichte einer Dreiecksbeziehung, mit Lang als Aufschneider, vollgepumpt mit Adrenalin und Drogen, als angry young man aus dem Wiener Gemeindebau.
Dann die Inszenierung des Musikers als Musiker: ein knallbunter Neon Mix, aus der Wohngemeinschaft heraus entstanden, mit schrillen Impromptukonzerten und zweifelhaft modischen Erscheinungen. Der Protagonist Wilfried treibt in diesem nach Pop kreischenden New-Wave-Stück sein Unwesen, was als programmatische Fußnote an zwei weitere populäre Musikstars – Wolfgang Ambros in Fehlschuss und Rainhard Fendrich in Coconuts – anschließt. Schließlich betreibt die Band Schmetterlinge mit dem Kapitel Pariser Kommune aus ihrer „Proletenpassion“ geschliffene Politsatire, die den diesjährigen Pop-Schwerpunkt um ein lustvolles Pop-Mosaik ergänzt.
(Marius Hrdy)
Weitere Filme des ORF-Archivs in der Programmreihe 1000 Takte Film:
Eiszeit (R: Wolfgang Strobl, AT 1983)
Techno in Wien (R: Thaddäus Podgorski Jun., AT 1993)
*NSYNC – Tearin’ Up My Heart (R: Stefan Ruzowitzky, AT/US 1997)
Fernsehen ist seit sechzig Jahren Teil unserer Gesellschaft, seine Produktionen sind stets auch Repräsentationen zeitgebundener Diskurse. In seiner besonderen Stellung als öffentlich-rechtlicher Sender und in der damit verbundenen Dichte und Tiefe einer kontinuierlichen Berichterstattung agiert der ORF einerseits als Produzent zeitgeschichtlicher Inhalte, andererseits spielt sein multimediales Archiv eine wichtige Rolle als Vermittler historischer Quellen. Heute bewahrt diese Sammlung des ORF einen „Schatz“ von mehr als sechs Millionen Sendungen und Beiträgen aus rund 550.000 Programmstunden. Dieses audiovisuelle „Gedächtnis des Landes“ ist eine unvergleichliche Quellensammlung materieller und immaterieller Kulturen, ob Mode, Analysen, Diskussionen oder „Zeitgeist“.
(Camillo Foramitti, ORF-Archiv)