Persönliche Notizen zu Bild und Ton im Kino
Ich werde immer wieder gefragt, was ich als primären Ausgangspunkt für meine audiovisuellen Arbeiten verwende – Bild oder Ton. Technisch gesehen ist beides möglich. Dazu muss ich sagen, dass ich als eine meiner Hauptquellen für die Videoproduktion das elektromagnetische Signal verwende – das kann entweder von einer Tonquelle, aber eben auch vom elektromagnetischen Feld der Kathodenröhre eines Fernsehers kommen.
Aber beim genaueren Sinnieren darüber, war mir dann ziemlich schnell klar, was für mich persönlich die Antwort auf diese „Henne oder Ei“-Frage ist: Zuerst kommt die Musik.
Ohne Musik würde ich ziemlich sicher keine Videos machen. Musik ist die treibende Kraft. Music was my first Love.
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Einen Film oder ein Video ohne Ton im Kino zu betrachten, macht mich extrem unruhig. Es gibt keine Verbindung zwischen dem, was ich durch das Fenster Leinwand sehe und dem, was die Stäbchen und Zapfen auf meiner Netzhaut über die Sehnervenbahn in meine Verarbeitungszentrale im Gehirn und somit auch weiter in meinen Körper leiten.
Wenn die Leinwand eine Membran ist, die die Trennschicht zwischen der Welt draußen und meinen inneren Zuständen und Vorstellungswelten ist, ist die Musik bzw. der Soundtrack eines Films das Vehikel, das mich auf eine zwei- (oder multi)direktionale Reise nimmt.
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Filmmusik respektive die Tonebene eines Films, die mir dann persönlich nicht gefallen – egal, ob Teil eines Hardcore-Experimentalfilms/Videos, im ambitionierten Artfilm oder im klassischen Hollywood-Erzählkino – kann aber auch noch so schöne Bilder und noch so spannende Geschichten fast unkonsumierbar machen. Es kann mich hochgradig ablenken, wenn Bild und Ton keine für mich nachvollziehbare (sinnliche oder intellektuelle) Beziehung eingehen, wenn die Musik nur Untermalung ist (das klassische romantische Klaviergeklimper), aber auch wenn die Tonspur zu illustrativ eingesetzt wird. Musik ist dann nicht mehr Reisevehikel, sondern wird zur Plage: Wie wenn ich mich in einer wunderbar beeindruckenden Naturlandschaft nicht der Betrachtung hingeben kann, weil ich permanent die extrem lästigen Moskitoschwärme abwehren muss.
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Stille. Für mich ist Stille nichts Natürliches – immer sind irgendwelche Geräusche wahrnehmbar, sei es nur das Blutrauschen in meinem Kopf nachts im Bett. Stille ist nie neutrale Leere. Für mich funktioniert Stille vor allem im Wechselspiel mit Sound/Geräuschen/Musik – jede Stille ist dann sozusagen das Negativ zum Sound davor und daher immer anders. So eingesetzt finde ich Stille spannend – und im Extremfall schafft es dieser abrupte Stopp der Reise, mich zurück auf den Kinosessel zu katapultieren, um mich dann beim Einsatz von Ton entweder wieder sanft ins Geschehen zu holen oder mich ruckartig wieder mitzureißen.
Bei ganz wenigen (Experimental-)Filmen, bei denen die Regisseur/innen bewusst auf eine Tonebene verzichten, finde ich es dann manchmal schon sehr spannend, was diese Stille mit mir macht: Sie hält mich permanent auf Distanz, macht mich zur Voyeurin …