Diagonale
Diagonale
Diagonale
Mittwoch, 09.06.
12:30 Uhr, Annenhof Kino 7
Freitag, 11.06.
19:30 Uhr, Schubertkino 2

Zaho Zay

Dokumentarfilm, AT/FR/MG 2020, DCP, 79 min, frOmeU

Mit den Blicken einer Frau und begleitet von ihren Gedanken durchstreifen wir einen Gefängnishof in Madagaskar. Sie, die Wärterin in diesem Gefängnis, glaubt, hier eines Tages ihren Vater – den Würfel-Killer – wiederzufinden. Als ein Insasse verlautbart, diesen zu kennen, verschieben sich die den Film durchziehenden Traumbilder ins Unheimliche. Im Ineinander von realer Welt und Imagination macht Zaho Zay die Kreisläufe von Gewalt, Kriminalität und Chancenlosigkeit als Schicksal einer ganzen Gesellschaft begreifbar.

„Zaho zay!“ – „Das bin ich!“ Ich ist in diesem Film die Stimme einer Frau. Und es sind ihre Blicke auf die Welt. Letztere durchstreifen über die Dauer des Films immer wieder den Innenhof eines Gefängnisses in Madagaskar, verweilen auf einzelnen Männern, weil die Blickende – sie ist Wärterin in diesem Gefängnis – glaubt, jemanden erkannt zu haben. Auf der Tonspur des Films erzählt die Frau wie in einem Brief vom eigenen Vater, dem Würfel-Killer, der plötzlich aus ihrem Leben entschwunden (oder vielleicht nie da) war. Sie ist überzeugt, dass er ihr eines Tages in jenem Gefängnis wiederbegegnen wird. Als ein Neuankömmling im Hof tatsächlich verlautbart, den Würfel-Killer zu kennen, verschieben sich die immer wieder den Vater umkreisenden Imaginationen der Frau merklich ins Unheimliche.
Das Regieduo Maéva Ranaïvojaona und Georg Tiller erzählt von diesem Vater-Tochter-Verhältnis in fragmentarischen Miniaturen, die nie vollends markieren, ob sie einer vorgefundenen Welt oder dem fiktionalen Universum einer ausgedachten Geschichte entspringen. Wir sehen eingeübte Abläufe im Gefängnishof, rituelle Massenaufläufe bei einer Beerdigung, die Arbeit von Seidenweberinnen und Ausschnitte von Landschaft als Dokumente einer materiellen Welt in diesem Land. Mal als harte Brüche, mal als kaum merkliche, fließende Übergänge werden sie von Szenen begleitet und unterteilt, die den Vater in stark stilisierten Settings beim geisterhaften Umherwandern in Madagaskar zeigen. Er schweigt, er blickt, erinnert in Habitus und Kostümierung an mythische Figuren der Filmgeschichte und hat dabei immer die schicksalhaften Würfel in der Hand. Sind sie einmal gefallen, hat der Killer sein nächstes Opfer gefunden.
In seinem ästhetischen Verfahren zwischen Fiktion und Dokument wie auch in einzelnen Passagen der poetischen Erzählung auf der Tonspur wird deutlich, dass Zaho Zay mehr ist als die Geschichte eines einzelnen Individuums. Die Frage, wie das Leben des Vaters jenes der Tochter bis heute beherrscht, führt zu einem erweiterten Blick, der die Kreisläufe von Gewalt, Kriminalität, Chancenlosigkeit als Schicksal nicht nur einiger weniger, sondern einer ganzen Gesellschaft begreift. Zaho Zay findet für diese Pro­blematik keine einfachen Antworten. Die Annäherung erfolgt mit den Mitteln des Kinos: in einem gewagten Ineinander von echter, realer Welt und traumatischen Imaginationen.
(Katalogtext, ab)
 

Regie: Georg Tiller, Maéva Ranaïvojaona
Buch: Georg Tiller, Maéva Ranaïvojaona, Raharimanana
Darsteller:innen: Eugène Ranaïvojaona, Eva Ranaïvojaona
Kamera: Georg Tiller
Schnitt: Barbara Bossuet
Originalton: Terence Meunier
Musik: André Fèvre
Sounddesign: André Fèvre
Weitere Credits: Sprecherin: Nabiha Akkari
Produzent:innen: Georg Tiller, Thomas Lambert, Maéva Ranaïvojaona
Produktion: Subobscura Films
Koproduktion: Tomsa Films (FR) Katrafay Films (MG)
Gefördert von: BMKÖS — innovative film
Uraufführung: FIDMarseille 2020
Österreichische Erstaufführung: Viennale 2020
Produktionsformat: digital
Consent Management Platform von Real Cookie Banner