I Am The Tigress
Dokumentarfilm, AT/DE/US 2021, DCP, 80 min, eOmdU
Tischa Thomas ist wie gemacht für die Bühne. Ihren Körper hat die 47-jährige US-Amerikanerin gestählt, ihren Geist im Zuge der Transformation zur Bodybuilderin und Göttin gleich mit. Regisseur Philipp Fussenegger zeigt sie im Wechsel von einer Bühne zur nächsten – sei es als Domina, Bodybuilderin, Großmutter oder Freundin. Im Porträt verschmilzt Gegensätzliches, mischen sich Momente von Kapitulation und Sieg, Alltag und Ausnahmezustand. Die Tigerin streift durch Extreme.
Tischa Thomas ist 47, dreifache Mutter und Bodybuilderin. Den Weg zum Körper, den sie heute hat, bezeichnet sie als Transformation: vom verschüchterten, übergewichtigen Mädchen zur Göttin. „I’m teaching myself how to be a strong, confident woman“, sagt sie in Philipp Fusseneggers und Dino Osmanovics Porträt. Austragungsort dieser Lehrstunden ist die Bühne. Auf ihr präsentiert Tischa sich in athletischen Posen, wenn sie gegen andere Bodybuilderinnen antritt. Bühne ist aber auch die Arbeit als Domina. Als solche verdingt sie sich, um das Leben in New York City zu finanzieren, das sie gemeinsam mit Edward „Eddie“ Zahler führt. Ein ungleiches Paar, dessen Fundament für Tischa ein platonisches ist, Eddie kann sich auch eine Ehe vorstellen. Der Film lebt vom Gegensatz. Da ist die muskulöse, bärenstarke Frau im engen Dress, die sich auf High Heels durch die Straßen bewegt und jeden eingehenden Kommentar wegbügelt; da ist aber auch jemand, der sich häufig missverstanden und bedroht fühlt, der einen Packen Vergangenheit auf dem kräftigen Trapezmuskel schleppt. Wenn Tischa Thomas verkündet: „Girls have muscles too“, dann klingt das gleichzeitig wie eine Selbstverständlichkeit und eine Erkenntnis, die sie sich über Jahre erarbeitet hat und die es zu verteidigen gilt.
Fussenegger und Osmanovic arbeiten derweil auf mehren Ebenen, um die Person Tischa Thomas
zu fassen. I Am The Tigress zeigt Situationen aus ihrem Alltag, in dem Töchter und Enkelkinder eine Rolle spielen, die Betätigung als Sexarbeiterin auf mehreren Kanälen – online wie offline –, die winzige Wohnung und das Training für Wettkämpfe. Außerdem ist der Film mit Aufnahmen gespickt, die Tischa von sich selbst angefertigt hat, wahrscheinlich mit einer Handykamera. Hier posiert sie vor einem Glitzervorhang und erzählt von sich und ihrer Genese. Am Ende steht die unumstößliche Botschaft: „So there you go. This is me. All me. Take it, leave it, bald, muscular – I’m still Tischa, the tigress!“ Über weite Strecken hat man es aber auch mit einem Roadmovie zu tun. Denn Tischa und Ed treten eine Reise an, nach Rumänien, um an einem großen Wettbewerb teilzunehmen. Der Trip gerät zur Tortur, ist sozusagen ein Live-Ereignis, in dessen Verlauf dabei zugesehen werden kann, wie Tischa sich durch verschiedene emotionale Extreme navigiert. Nicht zuletzt handelt es sich bei I Am The Tigress auch um einen Liebesfilm, der von Freundschaft und Selbstliebe kündet. Die unterschiedlichen Facetten einer Person, die von sich behauptet, sie habe sich selbst kreiert, verschmelzen zu einem erstaunlichen Ganzen.
(Katalogtext, cw)
Dieser Film ist am 10. Juni um 20.15 Uhr im Livestream auf FM4 zu sehen. Mehr zu Canale Diagonale – Ein Festival, viele Streams – unter diagonale.at/canale-diagonale.
Buch: Philipp Fussenegger, Dino Osmanovic
Darsteller:innen: Tischa Thomas, Edward Zahler, Steve Scibelli u. a.
Kamera: Dino Osmanovic
Schnitt: Judy Landkammer
Musik: Mario Batkovic
Sounddesign: Moritz Kerschbaumer
Weitere Credits: Farbkorrektur: Daniel Hollerweger
Produzent:innen: Philipp Fussenegger, Michael Steinwand
Produktion: funfairfilms
Koproduktion: FFFyeah (DE)
Verleih in Österreich: Four Guys (DE)
Gefördert von: Land Vorarlberg, Kultur
BKM Deutschland
Uraufführung: Max Ophüls 2021
Österreichische Erstaufführung: Diagonale '21
Produktionsformat: digital