Jugendzentrum Per-Albin-Hansson-Siedlung Ost
Dokumentarfilm kurz, AT 1977, DCP, 45 min, dOFSammelprogramm: Sehnsucht 20/21: "Whose Streets? Our Streets!"
Drei Filmdokumente reflektieren auf unterschiedliche Weise eine zentrale Frage des Urbanen: Welchen Spielraum haben junge Menschen in von Technologisierung und Reglementierung geprägten Satellitenstädten und Großsiedlungen, sich eigene Räume performativ anzueignen? Gustav Deutschs erster Film erlaubt einen ethnografischen Blick auf die Rituale Jugendlicher. Robert Dornhelms Reportage und Rene Bruegers Kurzfilm sind einzigartige Zeitdokumente der Jugendkulturen und der intergenerationalen Konflikte der 1970er- und 1980er-Jahre in Wien und Graz.
Gustav Deutschs lange verschollen geglaubter
erster Film Jugendzentrum Per-Albin-Hansson-Siedlung
Ost entstand als bewusstes Gegenprogramm zu
den konventionellen Fernsehfilmformaten. Der Film
wurde von Deutsch und einer Gruppe Studierender
der Technischen Universität Wien 1977 auf Video in
der Per-Albin-Hansson-Siedlung in Wien-Favoriten
hergestellt. Gedreht wurde mit zwei Kameras, mittels
Videomixer wurden die zwei Videosignale live auf einen
tragbaren Sony-Rekorder gemischt und auch für die
Jugendlichen auf einem Videomonitor ausgegeben.
Jugendzentrum Per-Albin-Hansson-Siedlung Ost
antizipiert, trotz der semiamateurhaften und kollektiven
Produktionsweise, bereits viele der Grundelemente
von Gustav Deutschs späteren filmischen Arbeiten.
Das wäre zum einen ein beinahe ethnografisches
Interesse an Alltagsritualen, sozialen Konstellationen
und gesellschaftlichen Begegnungsräumen. Zum
anderen lässt der Film seinen Zuschauer/innen
Raum, das Gesehene und Gehörte selbst zu reflektieren:
Bis auf den Kommentartext, den Gustav Deutsch
eingangs spricht, enthält sich der Film jedweder
Wertung. Zu sehen gibt es dafür viel: Der Hauptsaal
des Jugendzentrums wird zur Bühne für eine Folge
von Tanz- und Musikveranstaltungen. Im Mittelpunkt
stehen meist die jungen Frauen und Mädchen: miteinander
tanzend zu einem Bob-Seger-Schlager,
während die Jungs am Bildrand gockelhaft posieren.
Es entsteht ein Bild des Jugendzentrums als eine Art
„Zeremonienplatz“ für die Heranwachsenden: ein Ort,
um Gesellschaft, Geschlechterrollen auszuprobieren,
an dem Erwachsene wie der Leiter Fremdkörper (und
eine Erinnerung an vergangene Zeiten) darstellen. Im
Rahmen der diesjährigen Diagonale wird die österreichische
Kinopremiere der digitalen Sicherung des
Films zu sehen sein.
(Katalogtext, Michael Loebenstein)
„Whose Streets? Our Streets!“
Irgendwann einmal … Probleme der Jugendlichen in Großsiedlungen (R: Robert Dornhelm, AT 1973)
Jugendzentrum Per-Albin-Hansson-Siedlung Ost (R: Gustav Deutsch, AT 1977)
Losgelassen – Jugend in Graz (R: Rene Brueger, AT 1986)
Im Andenken an Gustav Deutsch wird dem Programm der Kurzfilm Alles fließt von Johannes Schmelzer-Ziringer vorangestellt.