Wie Sand am Meer ... Familiennotizen aus Urlaub und Alltag
Spielfilm, AT 1976, DCP, 62 min, dOFSammelprogramm: Sehnsucht 20/21: "Unter dem Pflaster liegt das Meer"
Stadt und (Urlaubs-)Sehnsucht – von Österreich an die Adriaküste. 1976 hat Bernhard Frankfurter für den ORF vier österreichische Familien in den Urlaub nach Bibione begleitet. Unweit vom Hausmeisterstrand vermisst Lotte Schreiber Jahrzehnte später einen Betonbau über der Küste von Triest. Zurück in Linz beobachtet Edith Stauber das freizeitliche Treiben im öffentlichen Schwimmbad. Alltag und Ausbruch: unter dem Pflaster liegt das Meer.
Sonnenaufgang an der norditalienischen Adria.
Noch hat die Möwengesellschaft den Sandstrand
für sich allein. Noch sind sie nicht eingefallen, die
Sonnenanbeter/innen und Erholungssuchenden aus
den Nachbarländern. Die Massen von fliehenden,
rauchenden Städter/innen mit ihrem Begehr, die
von Arbeits-, Schul- und Familienalltag malträtierten
Akkus aufzuladen. Schon in wenigen Stunden wird es
hier dicht gedrängt sein, laut und ausgelassen, wird
die funktionale Hotel- und Ferienmaschine Bibione
temporär ihren Betrieb aufnehmen und weltstädtischen
Esprit mimen.
1976 begleitete der Grazer Film- und Fernsehmacher
Bernhard Frankfurter für den ORF vier
Familien aus österreichischen Ballungsgebieten
in den Urlaub. In Wie Sand am Meer treffen launige
Gespräche während der sommerlichen Auszeit auf
Interviews im haupt- bis kleinstädtischen Leben zu
Hause. Urlaubsroutinen – abendlicher Einkaufsbummel,
Venedigbesuch, Eisverzehr und Badefreuden
– treffen auf Leistungsdruck, Träumereien und
Sorgen im Alltagstrott. Frankfurter verweigert das
leicht verdauliche apolitische Zerstreuungsfernsehen:
Bereits in den ersten Minuten rückt er die eigentliche
Funktion der „Arbeitszeitvergütung Urlaub“ klassenkämpferisch
in den Fokus. Von Rekreation der Arbeitskraft
und ökonomischer Lebenstaktung ist die Rede.
Von der Hoffnung auf ein Mehr an Menschlichkeit,
das Industrie und Gesellschaft im beruflichen Alltag
verwehren. Dazu folgerichtig singt der Wiener Familienvater
Masa am Campingtisch das Arbeiterlied
„Bandiera rossa“. Die Ära Kreisky lässt sich weder in
der Erzählung noch in der Filmsprache – oder gar in
der Urlaubsplanung – verleugnen. Masa und seine
Familie gehörten zu jenen glücklichen 37 Prozent in
Österreich, die 1976 überhaupt in den Genuss von
Auslandsreisen kamen. Für alle anderen blieben –
und bleiben auch heute noch – die innerstädtischen
Erholungsoasen.
(Katalogtext, Sebastian Höglinger)
Unter dem Pflaster liegt das Meer
Eintritt zum Paradies um 3€20 (R: Edith Stauber, AT 2008)
Wie Sand am Meer – Familiennotizen aus Urlaub und Alltag (R: Bernhard Frankfurter, AT 1976)
quadro (R: Lotte Schreiber, AT/IT 2002)
Kamera: Franz Zecha, Helmut Schreiber, Alfred Lemesch
Schnitt: Inge Wistawel
Originalton: Klaus Kinzl, Herbert Sedmik