The Search
Spielfilm, US/CH 1948, Film 35mm, 105 min, OmdUThe Search erzählt die Geschichte eines im besetzten Deutschland stationierten Soldaten, der sich mit einem verlorenen gegangenen stummen tschechischen Jungen anfreundet, nach und nach dessen Vertrauen gewinnt und ihm beibringt, wieder zu sprechen. Zum Schluss trifft der Junge seine Mutter wieder. Erschütterndes Filmmaterial echter Kriegswaisen in UNRRA-Lagern ergänzt die fiktionale Geschichte, die an Originalschauplätzen in den Ruinen Nachkriegsdeutschlands gedreht wurde. Zinnemann nutzte einige dieser Kinder als Statist/innen, weil „sie allein das Gefühl des animalischen Terrors verstehen und abbilden konnten“.
The Search beginnt in einem Transitlager der
UNRRA, in dem Kinder verschiedenster Nationalität
und Herkunft nach ihrer Befreiung aus Konzentrationslagern
betreut werden. Unter ihnen auch Karel,
der aber nicht identifiziert werden kann. Denn er ist
seit dem Tag, an dem er mit Gewalt von seiner Mutter
getrennt wurde, verstummt. Gemeinsam mit Raoul,
einem französischen Buben, flieht er eines Tages aus
dem Flüchtlingslager. Raoul kommt dabei ums Leben,
Karel versteckt sich in den Ruinen der Stadt. Ein amerikanischer
Soldat nimmt sich seiner an und versucht
alles, ihn von seiner Angst zu befreien und wieder zum
Sprechen zu bringen. Da es keinerlei Spur von Karels
Mutter oder anderen Verwandten gibt, plant der junge
GI, ihn in seine Heimat mitzunehmen.
Angeregt wurde der Film von Leopold Lindtberg,
dem Regisseur des Flüchtlingsdramas Die letzte
Chance (1945), und vom Buch „Europe’s Children“
von Thérèse Bonney. Der amerikanischen Fotografin
war es gelungen, erschütternde Dokumente über
das Schicksal von Kindern, die Heimat und Familie
verloren hatten, zusammenzutragen. Eine der dramatischsten
Szenen von The Search ist eine – so im Drehbuch
nicht vorgesehene – Episode, in der sich Kinder
weigern, in die Busse des Roten Kreuzes einzusteigen,
weil sie diese an die „Ambulanzen“ erinnern, in denen
die Nazis einst Menschen beim Transport vergasten.
Fred Zinnemann, der in Wien aufgewachsene
und ab 1936 in Hollywood tätige Regisseur, kehrte
für die Dreharbeiten erstmals wieder nach Europa
zurück. The Search ist der erste internationale
Spielfilm, der im besetzten Deutschland entstand.
Er trägt den Stempel des Authentischen, die Außenaufnahmen
wurden in Nürnberg, München, Frankfurt
am Main und Würzburg gedreht. Schon im Vorfeld
besuchte Zinnemann an die zwanzig UNRRA-Lager,
in denen er sich mit den Schauplätzen und der
Atmosphäre vertraut machte und nach geeigneten
Darsteller/innen suchte; die Kinder im Film gehören
15 verschiedenen Nationen an, den kleinen „Karel“
entdeckte er schließlich in Ivan Jandl aus Prag. „In
den Blicken dieser Waisen – einige wurden wirklich
aus Auschwitz gerettet – finden sich Spuren eines
Traumas, die kein Drehbuch wegradieren kann“, so
der Filmhistoriker Hervé Dumont.
Tatsächlich verlief die Entstehung des Films
alles andere als harmonisch. Peter Viertel, der mit
Zinnemann zunächst am Drehbuch arbeitete, zog
seinen Namen zurück, als er die im Auftrag des
Schweizer Produzenten Lazar Wechsler bereinigte
Skriptfassung zu lesen bekam. Sämtliche direkten
Anspielungen auf die Shoah waren getilgt, aus Karels
jüdischer Familie wurden tschechische Intellektuelle,
die eine nicht näher bezeichnete Geheimpolizei verhaftet.
Auch die Dialoge lassen zu wünschen übrig.
Montgomery Clift, der Darsteller des GI Steve, schrieb
die meisten um und brachte außerdem selbst einige
der stärksten Ideen ein: etwa den Moment, in dem er
Karel sein Sandwich zuwirft, oder wenn er dem Buben,
den er Jim nennt, sein erstes englisches Wort beibringt
– mother. Zuallerletzt jedoch pfropfte Wechsler
dem Film einen Off-Kommentar auf, der The Search
einiges von seiner dokumentarischen Schärfe nahm.
Gleichwohl traf der Produzent damit den Publikumsgeschmack:
Ivan Jandl erhielt einen Spezial-Oscar
als bester Kinderdarsteller, und lange Zeit galt The
Search als der Schweizer Film mit den meisten internationalen
Auszeichnungen überhaupt.
(Katalogtext, Michael Omasta, Brigitte Mayr)
Buch: Richard Schweizer, David Wechsler
Darsteller:innen: Montgomery Clift, Ivan Jandl, Aline MacMahon, Jarmila Novotna, Wendell Corey und das Personal der UNRRA
Kamera: Emil Berna
Schnitt: Hermann Haller
Originalton: Paul Wartmann
Musik: Robert Blum
Kostüm: Robert Gamma
Produzent:innen: Lazar Wechsler
Produktion: Praesens Film AG Zürich (CH)
Koproduktion: MGM (US)