Diagonale
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Samstag, 12.06.
13:30 Uhr, Rechbauer

Portrait from Life

Spielfilm, GB 1948, Film 35mm, 90 min, eOF

Kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs entdeckt ein jüdischer Emigrant aus Österreich in einer Londoner Galerie ein Gemälde, das ein Mädchen zeigt, das genau wie seine vermisste Tochter aussieht. Major Lawrence wird damit beauftragt, sie zu finden, was leichter gesagt ist als getan. Schlussendlich findet er sie in einem deutschen Flüchtlingslager, muss jedoch feststellen, dass sie an Amnesie leidet. Ein frühes Kleinod des Regisseurs Terence Fisher, später berühmt für seine Hammer-Horror-Filme.

„Unglaublich!“ Professor Menzel traut seinen Augen kaum, aber das Bildnis einer jungen Frau in der Royal Academy in London zeigt seine Tochter: nur dass diese nicht Hildegard heißt, wie der Titel jenes Porträts behauptet, sondern Lidia. Major Lawrence, der kurz aus Deutschland zurück auf Heimaturlaub ist, bietet an, dem alten Herrn bei der Suche nach seiner Tochter, von der er bei Ausbruch des Kriegs getrennt wurde, zu helfen. Gemeinsam stöbern sie den Künstler auf, einen Maler namens Reid. Er ist Alkoholiker, sturzbetrunken wie immer und stirbt, noch bevor er damit herausrücken kann, in welchem Flüchtlingslager er dem Mädchen begegnet war.
So beginnt für den Major eine schier aussichtslose Odyssee. Nachdem selbst eine Anfrage beim Suchdienst des Roten Kreuzes ohne Erfolg geblieben ist, klappert er die DP-Lager in der britischen Besatzungszone ab. Dutzende von Hildegards werden befragt. In Camp 31 bei Braunschweig wird er schließlich fündig. Allerdings lebt die schüchterne junge Frau mit ihren vermeintlichen Eltern: Hendlmann, ihr Vater, behauptet, Tscheche und fünf Jahre in Ravensbrück gewesen zu sein – mit der Enthüllung seiner wahren Identität wird das Flüchtlingsdrama endgültig zum Kriminalfilm.
Portrait from Life, eine der ersten Regiearbeiten des späteren Hammer-Horror-Großmeisters Terence Fisher, gilt als vergessener Klassiker des britischen Nachkriegsfilms. Displaced Persons waren in den späteren 1940er-Jahren ein gängiger Topos, doch Hildegards/Lidias – gleichermaßen von Freud’scher Theorie wie von Stilelementen des Film noir durchdrungene – Geschichte ist aus mehreren Gründen außergewöhnlich. Obwohl die zeitgenössischen Medien breit über die Öffnung der Vernichtungslager berichteten, war „Jewishness“ kaum ein Thema: Man sprach generell vom „Leid Europas“, Angehörige aller Nationen und Religionen waren Opfer der Nazis. Hildegard/Lidia respektive Professor Menzel werden, eine rare Ausnahme von der Regel, als österreichische Juden charakterisiert. Gleichwie klammert der Film die traumatischen Kriegserlebnisse der jungen Frau völlig aus, lediglich auf ihrem Porträt ist – als Chiffre für Auschwitz und den Holocaust – die auf ihrem Unterarm eintätowierte Nummer zu sehen.
Für die Dauer der Dreharbeiten wurde ein aufgelassenes Camp der britischen Armee, das südlich von Fawley in der Grafschaft Hampshire lag, zum Flüchtlingslager umfunktioniert. Umso mehr Wert auf Authentizität legte man bei der Besetzung. Abgesehen von dem aus Prag gebürtigen Herbert Lom (Hendlmann) wurden auch etliche Nebenrollen mit deutschen und (alt-)österreichischen Emigrant/innen besetzt: Arnold Marlé, Sybille Binder, Gerard Heinz, Philo Hauser, Betty Lynne, Nelly Arno, Hugo Schuster, Eric Pohlmann, um nur die wichtigeren zu nennen. Entsprechend herrschte im Lager einige Sprachverwirrung, häufig wechseln Dialoge vom Englischen ins Deutsche und wieder zurück. „Das ist etwas, das wir nie wieder sehen werden“, meint einer der Offiziere mit Blick auf die Flüchtlinge einmal, „ganz Europa unter einem Dach.“
(Katalogtext, Michael Omasta, Brigitte Mayr)  

Regie: Terence Fisher
Buch: Frank Harvey Jr., Muriel und Sydney Box, nach einem Stoff von David Evans
Darsteller:innen: Mai Zetterling, Guy Rolfe, Herbert Lom, Robert Beatty, Arnold Marlé
Kamera: Jack Asher
Schnitt: Vladimir Sagovsky
Originalton: B.C. Sewell
Musik: Benjamin Frankel
Kostüm: Joan Ellacott
Produzent:innen: Antony Darnborough, J. Arthur Rank
Produktion: Gainsborough Pictures (GB)
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