Unlängst habe ich eine Postkarte von Burkhard Stangl bekommen, da stand drauf, dass Buchhandlungen unsere geistigen Tankstellen sind …
Festivals sind meine Energiequellen. Ich tauche ein in die temporäre Welt, die Kuratorinnen und Kuratoren für mich erschaffen haben. Ich bewege mich darin wie ein Fisch im Wasser. Das Wasser ist klar, voller frischer Pflanzen, sie schwanken in der Strömung und locken mich an … Filmfestivals helfen mir, meinen Blick zurecht zu rücken, schaffen mir Rückzugsgebiete, ich suche und entdecke Filme, Geschichten, Personen. In der Überfülle der Angebote und dem Stressgefühl, ja doch immer im falschen Film zu sitzen, habe ich mir in den letzten Jahren einen Fokus gewählt, der mich beglückt, beschenkt. Ich suche neben den Filmen von Regisseur/innen und Filmkünstler/innen, deren Werk ich schon seit Jahren verfolge, vor allem nach Filmen von Frauen oder nach Geschichten, in denen Frauen eine zentrale Rolle spielen.
Für meine eigenen Kuratierungen spielt die Rekanonisierung der Filmgeschichte in Hinblick auf das Sichtbarmachen des Filmschaffens von Frauen eine wichtige Rolle. Festivals sind dafür oft eine wunderbare Fundgrube jenseits des Mainstreams. Ich muss nicht mehr zwischen(!) den Monolithen kleine bunte Steine suchen. Manche Festivals legen sie frei, sie sind sichtbar, sie glitzern, sie machen Freude, sie stehen da, für sich allein, verantwortlich statt geduldet, kritikfähig. Und siehe da: Es funktioniert, diese Filme haben Publikum, volle Säle, so wie heuer – wieder – auf der Diagonale, etwa die Personale von Mia Hansen-Løve.
Auf Festivals wie der Diagonale werden nicht nur Filme gezeigt, Graz wird zu einem Ort der Diskussion und des Nachdenkens, der Begegnung, der Solidarisierung. Eine Plattform für Forderungen einer Branche, für Zugeständnisse der Kulturpolitik, für die Anerkennung von Standpunkten, für die Schwerpunktsetzung von Entwicklungen, für die Würdigungen von Arbeiten der Vergangenheit, für die Bereitschaft, sich mit Neuem auseinanderzusetzen.
Nationale Filmfestivals zu verantworten und ihnen einen Sinn zu geben, gehören zu den schwierigsten Aufgaben. In Österreich ist das mit Sicherheit nicht leichter als anderswo. Eine Filmbranche, in der es zwei Regieverbände, zwei Produzent/innenenverbände und eine lange Tradition des Avantgardefilms gibt und – naturgemäß – allerlei Konfliktstoff zwischen Kunst und Kommerz, ist nicht leicht zufriedenzustellen.
Die strenge und unbestechliche Auswahl macht die Diagonale auch international zu einem hochgeschätzten Festival, sowohl bei der Presse als auch bei den internationalen Gästen. Dies ist ein wichtiger Faktor, weil ein nationales Festival braucht unbedingt internationalen Input. Auch das jährliche Diagonale-Branchentreffen wurde nach und nach zu einem Magnet für die österreichische Filmbranche, als Standortbestimmung und Stimmungsbarometer, als Impulsgeber, als Plattform für Modelle und Showcases aus ganz Europa.
Jedes Jahr produziert die Diagonale gemeinsam mit FC Gloria – Frauen Vernetzung Film Bierdeckel mit aktuellen Zahlen zu Frauen in der Filmbranche, Statements, die auf die Schieflage hinweisen. Mittlerweile sind diese Bierdeckel bereits Sammler/innenstücke geworden. Das hat erstaunlich zum innerösterreichischen Bekanntheitsgrad unseres Netzwerks beigetragen. Und im Ausland – zuletzt auch wieder auf der Berlinale – gibt es viele, die diese Idee nachmachen wollen. Bierdeckelinfos, die die Fakten auf den Tisch bringen und so direkt Diskussionen auslösen. Wie selbstverständlich bezog sich eine Grazer Stadträtin bei der Drehbuchpreisverleihung auf die Arbeit von FC Gloria und stellte damit den jahrelangen Anstrengungen des Netzwerks ein Zeugnis der kulturpolitischen Realität aus.